Inzucht, Linienzucht und Outcrossing

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Inzucht, Linienzucht und Outcrossing = Auskreuzung sind Begriffe, die die drei Methoden beschreiben, nach denen man Linien kreuzt, um die erwünschte Einheitlichkeit von Geno- und Phänotyp zu erreichen. Auf sinnvolle Weise genutzt, bieten sie aufgeklärten Züchtern ein ganzes Feld an wertvollen Methoden, die helfen, die Richtung zu bestimmen und Kontrolle über eine gut geplante Zucht zu haben. Jede dieser Drei spielt eine bedeutende Rolle bei der Erfüllung der Bedürfnisse des kleinen Züchters und, in einem größeren Zusammenhang, für den Erhalt und die Pflege der Rasse und ihrer am meisten erwünschten Merkmale. Kurz definiert:


Inzucht ist die Verpaarung zweier Hunde, die sehr eng miteinander verwandt sind: eine Schwester mit einem Bruder, Vater mit Tochter, Mutter mit Sohn, und in manchen Fällen die Verpaarung von Halbgeschwistern oder Tanten und Onkel mit Neffen und Nichten. Weil Inzucht sowohl die Gene für die Schwächen als auch die für die Vorzüge verstärkt, kann Inzucht entweder höchst erfolgreich sein oder düsteres Scheitern. Ihre Anwendung erfordert folglich die Fähigkeit, Enttäuschungen hinzunehmen, die mit mathematischer Sicherheit auftreten werden, die Bereitschaft, vielfach auszulesen und sogar Herzlosigkeit, um sicher zu stellen, dass sich dieses Scheitern nicht wiederholt.


Linienzucht ist eine sehr viel vorsichtigere Form der Inzucht. Üblicherweise bedeutet dies die Verpaarung von weiter entfernt Verwandten mit dem Interesse, den genetischen Code eines speziellen Deckrüden und einer Zuchthündin zusammen zu fassen und damit die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, Dominanz für viele der hervorragenden Merkmale zweier Hunde zu entwickeln. Je häufiger der Name der Hündin oder des Deckrüden im Stammbaum erscheint und je näher er am Anfang steht, umso enger ist die Linienzucht geworden.


Auskreuzung ist, wie man erwarten könnte, die Verpaarung zweier Hunde, die nicht miteinander verwandt sind. Es ist auch ein Begriff, der für das Züchten außerhalb bestimmter Familien und Linien benutzt wird, die zu eng gezüchtet wurden und eine Zuführung von fremdem Blut benötigen. Auskreuzung wird üblicherweise genutzt, um die allgemeine Gesundheit und Fruchtbarkeit wieder herzustellen, die durch Inzucht oder übertriebene Linienzucht verloren gegangen sein könnten.


Grundlagen der Genetik


Auf der einfachsten Stufe sind Gene Teile der DNA-Moleküle, die verursachen, dass bestimmte Proteine in der Zelle hergestellt werden und jedes erbliche Merkmal (Merkmale, die weiter gegeben werden, nicht solche, die durch Umwelteinflüsse beeinflusst werden) vorschreiben, das einen Hund zu all dem macht, was er ist. Genetische Information wird im Zellkern von den Chromosomen getragen. Vielfältige Zusammensetzungen der Gene bestimmen alles, von Farbe und Länge des Fells bis zum Körperbau und dem gesamten Wohlbefinden sowie Intelligenz und Temperament. Gene tragen Paare von Allelen, die die mitgegebenen Merkmale mehr oder weniger abwandeln. Werden sie zusammen gefügt, nennt man diese Allele dominant, wenn die Merkmale, für die sie verantwortlich sind, sich gegen andere Merkmale durchsetzen, die sich auf den entsprechenden Allelen finden. Man nennt sie rezessiv, wenn diese Merkmale sich durch das Auftreten anderer sich durchsetzender dominanter Allele nicht selbst durchsetzen können.


Ein Gen wird homozygot genannt, wenn beide Allel-Paare dominant sind; in diesem Fall wird der Hund immer ein dominantes Allel an seine Nachkommen weiter geben, und die Nachkommen werden immer dieses dominante Merkmal zeigen. Heterozygot wird ein Gen genannt, wenn seine Allel-Paare einen dominanten und einen rezessiven Bestandteil aufweisen. In diesem Fall wird das dominante Allel sich durchsetzen, aber das rezessive ist immer noch vorhanden und kann an die Nachkommen weiter gegeben werden.


Jedes Elternteil eines Hundes gibt 50% seines genetischen Materials an jeden seiner Nachkommen weiter. 25% von diesem Material stammt von deren Eltern, also den vier Großeltern. Nehmen wir an, man verpaart zwei Hunde, die nichts gemeinsam haben. Abhängig davon, welche 50% des genetischen Codes von Vater und Mutter beigesteuert wurden, können alle Nachkommen dieser bestimmten Verpaarung unter Umständen ziemlich unterschiedlich aussehen. Sollte dies der Fall sein, ist die gute Nachricht, dass keine bedeutenden Schwächen auftauchen werden. Schwache Rassemerkmale sind sehr häufig rezessiv und zeigen sich folglich nicht, es sei denn, sie werden in einer Weise verdichtet, die sie homozygot machen.


Deswegen sollten die Welpen verhältnismäßig frei von angeborenen Gesundheitsproblemen sein und (zu einem Minimum) durchschnittlichen Körperbau, allgemeine Gesundheit und rassegemäße Fruchtbarkeit erreichen. Die schlechte Nachricht ist, dass der Mangel an Dominanz für bestimmte Merkmale, die man für wichtig erachtet, daran hindert, Welpen in der beständig guten Qualität zu bekommen, die man wirklich haben will. Dies ist ein klassisches Auskreuzungsdilemma. Die Ergebnisse sind sicher, aber nicht notwendigerweise spektakulär.


Auswahl für ein erwünschtes Merkmal


Und so funktioniert die Theorie in der Praxis: nehmen wir an, eine Hündin hat einen Großvater, der auf Grund einer bestimmten Anzahl an Merkmalen, die er an so viele seiner Nachkommen mit großer Regelmäßigkeit weiter gegeben hat, besonders geschätzt wird (wir werden den Deckrüden als Beispiel nehmen, aber es könnte ebenso gut die Zuchthündin sein). Vielleicht besaß er einen unglaublich schönen Kopf und eine grundsolide Rückenlinie oder er hatte einen raumgreifenden Gang mit viel Schwung oder ein bemerkenswertes Temperament. Vielleicht hatte er eine Kombination aus allen diesen erwünschten Rassemerkmalen. Seine Enkelin, falls man in der Auswahl der Hündin eine glückliche Hand hatte, mag einige dieser Qualitäten von ihm geerbt haben, aber sie hat nicht mehr als 25% seines genetischen Materials, und selbst das wurde durch die anderen 75%, die sie von anderen Vorfahren geerbt hat, auf irgendeine Weise verändert. Wenn nun diese Hündin mit einem nicht verwandten Rüden verpaart wird, werden die Anteile ihres überragenden Großvaters noch weiter verwässert bis alle Qualitäten, die man sich von diesem Individuum gewünscht hatte, unbedeutend werden.


Um sicher zu stellen, dass das Erbe dieser wundervollen Hündin mit steigender Wahrscheinlichkeit weiter gegeben wird, könnte nun mit einem anderen Sohn oder Enkel des beschriebenen Deckrüden verpaart werden, der dieselben Stärken in großem Maß aufweist. Man könnte sogar mit Inzucht liebäugeln und die Hündin mit ihrem Großvater oder dessen gleich stattlichen Vollbruder verpaaren. Das Ziel der Verpaarung ist, dass die daraus entstehenden Nachkommen eine größere Konzentration des erwünschten genetischen Materials erhalten und dadurch eine höhere Wahrscheinlichkeit entsteht, dieselben hervorragenden Rassemerkmale hervor zu bringen. Diese Konzentration genetischen Materials hat außerdem eine größere Häufigkeit von homozygoten Genen für bestimmte erbliche Merkmale zur Folge, wodurch sie tatsächlich für die Nachkommen dominant werden könnten.


Falls dies auftritt, könnten die Welpen aus dieser Verpaarung Dominanz für die erwünschten Merkmale aufweisen. Wenn das der Fall ist, bedeutet es, dass der Vererber dazu tendiert, sie als Folge der Dominanz der beteiligten Allele mit einer hohen Beständigkeit an die Nachzucht weiter zu geben. Ist man lange genug im Spiel, wird man Züchtergespräche gehört haben, die davon reden, ein Hund habe "seinen Nachkommen seinen Stempel aufgedrückt". Das ist, was sie damit meinen.


Inzwischen mag man sich wohl wundern, wenn doch In- und Linienzucht zum Ergebnis haben, außerordentliche Ausstellungshunde durch die Verstärkung dieses großartigen genetischen Codes zu züchten, warum tun wir es nicht ständig? Nun, dafür gibt es natürlich einige Gründe. Der einzige aber wichtigste Grund ist, dass, wenn bestimmte genetische Informationen in hoher Konzentration kombiniert werden, so wird auch das verstärkt, was auch immer an Schwächen von dominanten Genen verdeckt gewesen war, selbst vor dem Hintergrund von Auskreuzungen.


Zurück zu unserem Beispiel: obwohl der Großvater viele absolut hervorragende Qualitäten besaß, hatte er auch sehr schlechte Pfoten. Vielleicht sind schlechte Pfoten nahezu unbekannt in der Rasse, so dass diese Abweichung unbemerkt blieb, so lange der fragliche Deckrüde mit Hündinnen verpaart wurde, deren Pfoten zumindest so gut waren wie im Rassedurchschnitt. Die schlechten Pfoten bleiben in diesem Fall rezessiv, verdeckt durch die dominante genetische Tendenz zu guten Pfoten in der Rasse.


Wenn man mit In- und Linienzucht zu experimentieren anfängt, wird, welche Kombination auch immer dafür verantwortlich war, dem Rüden schlechte Pfoten zu bescheren, auch dieses Merkmal durch die Konzentration verstärkt. So ist es möglich, dass die Hündin mit einem verwandten Deckrüden verpaart wird und beide brauchbare Pfoten haben und man sich nicht einmal bewusst ist, dass das "Schlechte-Pfoten-Problem" schon beim Großvater vorhanden war, dass man angesichts eines Wurfes von Welpen mit allen erwünschten Eigenschaften - außer eben, dass sie fürchterliche Pfoten haben – schockiert sein könnte.


Ein großer Züchter mit Zeit und Geld könnte die Situation als Lern-Erfahrung ansehen, den Wurf aus seiner Zucht aussortieren und die Hündin zurück züchten in der Hoffnung, einen Wurf Welpen mit besseren Pfoten zu erhalten. Wenn der zweite Versuch gelingt - und das kann so sein – kann der ausgewählte Welpe für die Zukunft behalten werden und die anderen könnten in gute Aussteller- oder Familienheime umziehen. Die unterdrückte Tendenz zu schlechten Pfoten bliebe rezessiv, es sei denn, eine zukünftige Verbindung mit einem anderen Hund mit derselben genetischen Konzentration bringt es wieder hervor.


Ein kleiner Züchter jedoch wird nicht den Luxus genießen, diese Verpaarung ein zweites Mal zu versuchen, die weniger als perfekten Welpen auszusortieren, und könnte sich dazu veranlasst fühlen, einen oder zwei Welpen als Ausstellungskandidaten zu behalten, ungeachtet ihrer Pfoten. In diesem Fall wird der genetische Code für schlechte Pfoten dennoch weiter gegeben, vielleicht nun als dominantes Merkmal. Und so hat der unermüdliche Züchter unbeabsichtigt einen erblichen Defekt in den Genpool einer Rasse eingebracht, der zuvor für schlechte Pfoten nicht bekannt war, außer in seltenen Ausnahmefällen.


Der schrumpfende Genpool


Die andere Schattenseite konsequenter In- und Linienzucht ist, wenn man fortwährend nahe Verwandte über mehrere Generationen verpaart, der Genpool auf lange Sicht so verringert wird, dass viele gute Qualitäten verloren gehen. Per Definition reduziert Inzucht die Anzahl der Genpaare, die von jedem Nachkommen ererbt werden können, weshalb Inzucht-Hunde eine so hohe Veranlagung für bestimmte Merkmale haben.


Der Vorgang der Inzucht hat ganz einfach breite Variationen von Allelen aus dem genetischen Code dieser Hunde ausgeschaltet. Demzufolge ist es durchaus wahr, dass Inzucht auf lange Sicht an einem allgemeinen Verlust an Format, Fruchtbarkeit und Vitalität leidet. Diese Dinge werden durch Heterosis (das Vorhandensein einer großen Vielfalt von Genen) verbessert. Je in-gezüchteter der Hund ist, umso homozygoter ist sein Genotyp und umso weniger Zugriff auf Merkmale, die von einer Vielfalt der Allele abhängig sind, um hervor zu treten, ist möglich.


Der Verlust an Vitalität - und die resultierenden genetischen Schwächen, die damit einhergehen - ist nicht allein durch Inzucht verursacht. Es kann sich um Merkmale handeln, die bereits vorher in einem rezessiven Zustand vorhanden waren und infolge der stetigen Konzentration durch Rückzüchtung auf die Linie der Hunde, die sie tragen, hervor gebracht wurden. Es könnte ebenso gut sein, dass diese Merkmale, die Vitalität, Fruchtbarkeit und das Freisein von genetischen Schwächen einschließen, auf Heterosis zurückzuführen sind, die sie hervor gebracht hat und in einem gesunden Zustand beibehält.


Die richtige Balance


In- und Linienzucht sollten immer mit wohlüberlegter Auskreuzung Hand in Hand gehen, um die allgemeine Gesundheit, Fruchtbarkeit, Intelligenz und das Temperament der Hunde sicher zu stellen. In- und Linienzucht kann sicherlich die spektakulären Individuen erzeugen, von denen man lange geträumt hat, aber Mutter Natur hat immer und immer wieder bewiesen, dass die bedeutendsten Verbindungen (Züchtungen, die beständig außergewöhnliche Exemplare hervor bringen) häufig die sind, die zwischen zwei nicht verwandten (obwohl möglicherweise liniengezüchtet in sich selbst) Individuen entstehen, deren Gene zusammen gefügt wurden, um das zu erhalten, was man gemeinhin als hybride Vitalität bezeichnet.


Genetiker gestehen bereitwillig ein, dass sie nicht ganz sicher sind, warum hybride Vitalität funktioniert, aber es gibt keine Diskussionen um die Tatsache, dass unter bestimmten Bedingungen die Verpaarung zweier nicht verwandter Linien zur Entstehung eines Wurfes von Hunden führt, die wesentlich hervorragender sind als ihre Eltern. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit Merkmalen, die von einer Anzahl unterschiedlicher Gene gesteuert werden, mehr noch als für solche, die sich sehr spezifisch zeigen. Zwei Beispiele für Letzteres würde die Arbeitsfähigkeit und Intelligenz einschließen. Diese Merkmale bestehen aus einer Vielzahl von Allelen, die Merkmale wie Gebäude und Gangwerk steuern. Körpergröße – die genetisch programmiert ist – kann von Umweltfaktoren wie Mangel an angemessener Ernährung stark beeinflusst werden. Knochen werden gemeinhin als mäßig erblich berücksichtigt und scheinen neben Substanz teilweise auf ihre genetische Dominanz in bestimmten Rassen oder Linien zurückzuführen zu sein. Demzufolge ist es erhöhte Heterosis oder Weitblick durch Züchtung auf ein breites Spektrum von genetischem Material, was die Chancen eines bestimmten Hundes erhöht, die Kombination des genetischen Codes zu erben, der im Ergebnis außergewöhnliche Ausstellungshunde bringt.


Die magische Verbindung


Wenn der genetische Code, den der Hund weiter gibt, eine Ähnlichkeit mit dem des Paarungspartners hat (richtiger gesagt: wenn die betreffenden Allele auf eine Weise kombiniert werden, die Dominanz in bestimmten wichtigen Aspekten herstellt, während rezessive unerwünschte Merkmale überdeckt werden), dann hat man den Welpen seiner Träume, und zwar nicht nur einmal, sondern immer wieder. Die Entdeckung dieser Zusammenhänge ist freilich 75% Stammbaum-Forschung und harte Arbeit, 20% Intuition und 5% reines Glück. Selbst Genetiker räumen ein, dass Glück, Chance und Zufall eine Hauptrolle im endgültigen genetischen Erbe von Vollgeschwistern spielen. Aus diesem Grund wird man voraussichtlich in einem einzigen Wurf einen Superstar, ein paar Überdurchnittliche, einen oder zwei absolut Durchschnittliche, und einen Rüden und eine Hündin bekommen, die ihr Gewicht in reinem Gold wert sind.


Unglücklicherweise könnten vielleicht die am höchsten bewerteten Hunde von heute ihre außergewöhnlichen Eigenschaften nicht einmal an die nächste Generation auch nur annähernd mit der Beständigkeit ihrer Eltern weiter geben. Die Vielfalt kombinierter Merkmale, die sie hervorragend gemacht hat, kann sich mit denen der Nachzucht der nächsten Generation auf eine Weise verbinden, die diese uneinheitlich und fehlerhaft macht. Es hängt stark von den genetischen Codes ab, die von Zuchthündin und ausgewähltem Deckrüden eingebracht werden. Und so beginnt der Kreislauf von neuem: die Frage, ob man Linienzucht betreibt und in welchem Umfang, oder Inzucht und mit wem, wann man auskreuzt und welche Linien den benötigten "Stempel" bieten, um die nächste Generation von Superstars hervor zu bringen. Wieder ist es das Wissen und die Intuition, was die Chancen auf Erfolg erhöhen wird.