Zuchtrichterinterview

  • Liebe Leserinnen und Leser,


    sehr interessant und außergewöhnlich ist nachfolgender Artikel; beleuchtet er doch aus richterlicher Sicht das Ausstellungswesen. Erschienen ist er im Original auf der Homepage des VDH.


    Heike Sonnefeld
    Petra Platen
    Redaktion



    Zuchtrichter im Interview


    „RICHTER KANN MAN SEIN, ABER MENSCH MUSS MAN SEIN“
    Rainer Jacobs


    Welches war für Sie der beste Hund, den Sie je gerichtet haben und warum?
    In meiner nunmehr fast 30jährigen Richtertätigkeit habe ich sehr viele vorzügliche Hunde gesehen und beurteilt. Dabei ist es sehr gut zu erleben, wie positiv sich viele Rassen entwickelt haben und sich das "Handling" deutlich verbessert hat. Unter diesen Hunden trat jedoch einer ganz besonders hervor: der Irish Terrier "Darren von der Emsmühle". Es war 2007, als ich anlässlich der VDH-Europasiegerausstellung in Dortmund den Gruppenwettbewerb der FCI Gruppe 3 richten durfte. Als ich den Vorbereitungsring betrat, standen dort viele hervorragende BOB Hunde in Konkurrenz. Doch dieser Irish Terrier überstrahlte an diesem Tag alles. Ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen und dachte nur: wow, was zeigt dieser Hund für eine Präsenz, ein Rassetyp, wie man sich den Irish Terrier vorstellt! Dann kamen alle Hunde in den Ehrenring und nun kam das Gangwerk erst richtig zur Geltung. Auch hier war er an diesem Tag nicht zu schlagen. Bewundernswert auch, das er völlig frei und fast ohne Hilfe des Vorführers vorgestellt wurde, so, als wüsste er genau, worauf es ankam. An diesem Tag gewann er souverän die Gruppe und anschließend erfuhr ich, dass er 1 1/2 Jahre alt sei und dies sein erster Gruppensieg war. Er hat danach fast alles gewonnen, was ein Hund gewinnen kann. Natürlich erfüllt es einen mit Stolz, dass viele Richterkollegen die Qualität eines Hundes ebenso einschätzen.



    Wenn Sie nur einmal im Jahr richten könnten, welche Rasse und in welchem Land würden Sie dann richten wollen und warum?
    Wenn ich nur einmal im Jahr richten könnte, dann hätte ich aber sehr viel freie Zeit...... Nein, im Ernst, diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Ich gebe zu, dass ich sehr gern in den skandinavischen Ländern und auch in Russland richte. Hier herrscht eine etwas andere Mentalität, alle freuen sich mit dem jeweiligen Sieger und die Note SG hat noch einen anderen Stellenwert als bei uns. Doch wenn ich wirklich nur einmal im Jahr richten könnte, dann wäre es mir egal wo und welche Rasse. Ich würde mein Amt mit sehr großer Freude ausüben, wobei ich eine Ausstellung, wo es etwas familiär zugeht, dann doch bevorzugen würde. Hier steht man meist nicht so unter einem Zeitdruck und kann den Ausstellern die Entscheidungen ausführlicher erklären.


    Welches war Ihr größtes Erlebnis, an das Sie sich heute noch erinnern?
    Mein größtes Erlebnis als Zuchtrichter war eindeutig der Tag, als ich vom VDH nach der Wiedervereinigung den Richterausweis bekommen habe. Niemals hätte ich gedacht, das einmal erleben zu dürfen, als Richter auf einer großen VDH/FCI Ausstellung zu amtieren. Nie werde ich vergessen, als wir zur letzten DDR-Siegerausstellung für Rassehunde des VKSK 1990 auf der IGA in Erfurt die Richterliste komplett umgestellt haben und erstmals unsere Hunde von Richtern mit Rang und Namen aus dem VDH Bereich bewertet wurden. Ich möchte nicht wissen, was da so mancher gedacht hat, wie bescheiden doch unsere damaligen Verhältnisse waren. Aber diese letzte "DDR-Siegerausstellung" wurde nochmal ein Erfolg und als ich das Mikrofon aus der Hand legte, wusste keiner so recht, was nun kommen würde. Deshalb an dieser Stelle nochmals einen herzlichen Dank an den VDH und die FCI, welche dann so unbürokratisch die Übernahme der ehemaligen DDR-Richter auf den Weg brachten. Ich gebe zu, bei meinem ersten Richtereinsatz auf der Klub-Siegerschau des KfT Anfang der 80er Jahre in Hannover klopfte das Herz noch ganz schön!


    Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Richter aus? Nennen Sie bitte drei Merkmale.
    Unbestechlichkeit, Geradlinigkeit, Charakterstärke. Ich denke, jeder Richter wird am Tag seines Einsatzes das Beste geben. Gehe ich von mir aus: Ich betrete den Ausstellungsring mit gewissen Erwartungen und mir ist bewusst, dass auch die Aussteller Erwartungen an mich haben. Deshalb ist für mich wichtig, dass meine Entscheidungen nachvollziehbar sind, dass am Ende des Richterberichtes sich das in der vergebenen Formwertnote widerspiegelt. Jeder Hund und Aussteller sind gleich zu behandeln. Natürlich verlange ich von einem Champion mehr als von einem Anfänger und wenn ich merke, der Aussteller ist neu und völlig unerfahren, widme ich ihm auch genügend Zeit und gebe Tipps, denn er/ sie soll ja wieder kommen und Freude an diesem Hobby haben. Wenn dann nach geraumer Zeit Briefe oder Emails von diesen Ausstellern kommen, die sich bedanken und man verfolgen kann, dass die Ratschläge beherzigt wurden und sich Erfolg einstellt, dann weiß man, dass es richtig war. Abschließend noch eine Bemerkung: Wenn jetzt die Forderung der FCI und des VDH umgesetzt werden, bei der Beurteilung der Hunde konsequent auf das Wesen und die Gesundheitsaspekte zu achten, dann hoffe ich, dass die Züchter und Aussteller sich an diesem Bemühen aktiv beteiligen!


    Welchen der Richter, die Sie über die Jahre im In- und Ausland getroffen haben, halten Sie für ein besonderes Vorbild und warum?
    Im Laufe der vielen Jahre meiner Richtertätigkeit, aber auch als Ausstellungsleiter konnte ich etliche Richterpersönlichkeiten kennenlernen. Ich weiß, welch hohes Ansehen unsere Allgemein- und Gruppenrichter, aber auch die Spezialzuchtrichter aufgrund ihrer Ausbildung international genießen. Gerade während meiner Ausbildung zum Gruppenrichter der FCI Gruppe 9 durfte ich dies erfahren und bin sehr dankbar für die Hilfe und Unterstützung.


    Gehe ich 30 Jahre zurück, bewunderte ich als ganz junger Mann auf den großen Ausstellungen in Biesdorf, Leipzig und Erfurt Else Seidel und Margarete Laske. Sehr viel habe ich von Hans-Joachim Spengler abgeschaut, eine Richterpersönlichkeit, die vielen jungen Richtern ihr Rüstzeug mit auf den Weg gab. Mit der Wende waren es wieder zwei Damen, denen ich persönlich einiges zu verdanken habe und dafür unendlich dankbar bin. Die ehemalige Richterobfrau im KfT Christa von Bardeleben und Gräfin Stauffenberg, deren großes Wissen ich bewunderte und dankbar bin, einige Richteranwartschaften bei ihr absolviert zu haben. Nein, eine Person muss ich noch erwähnen, die mich auch geprägt hat: Eine "Terrierspezialistin" aus DDR-Zeiten, Lilo Mattfeld-Butzke, nur genannt der "General" aufgrund ihrer Unbestechlichkeit und gnadenlosen Ehrlichkeit. Schon im Rollstuhl sitzend nahm sie mich in Berlin Biesdorf einmal zur Seite und sagte zu mir: Du wirst Deinen Weg gehen, aber vergiss eines niemals: "Richter kann man sein, aber Mensch muss man sein"! Dieser Satz hat sich eingebrannt und ich versuche, ihn immer zu beherzigen.




    Name: Rainer Jacobs
    Beruf: Facharbeiter für Eisenbahn-Betriebstechnik
    Wohnort: Erfurt
    Hunderassen: Mops und Border Terrier (derzeit gehalten)
    Hobbys: wenn noch Zeit bleibt, dann Reisen, Theater, ein gutes Buch lesen.


    Hier der Link zum Originalartikel auf der Homepage des VDH:
    http://www.vdh.de/tl_files/richter/pdf/pdf_311.pdf


    Fotos: privat, Grüttner